Haushaltsrede von Hermann Reyher, gehalten am 27.11.2012
Allerorten Krise- Krise- Krise: Finanzkrise in Europa, Schuldenkrise in Griechenland, Bankenkrise in Spanien, Haushaltskrise der Europäischen Union! Und Deutschland steht wie ein geldstabiler Leuchtturm mitten im alten Kontinent. Wir haben den größten Steuereinnahmen-Boom aller Zeiten. Und trotzdem kriegen Bund, Länder und Gemeinden ihre Haushalte nicht in Griff. Jedes Jahr – wie gehabt – Netto-Neuverschuldungen, auch in Kierspe, diesmal wieder weit über 4 Millionen Euro.
Doch für unsere Stadt gibt es kleine Lichtpunkte am Ende des Tunnels: die wirtschaftliche Entwicklung läuft relativ Zufriedenstellend. Der Bund übernimmt bis 2014 die gesamte Grundsicherung für arme Menschen. Die Kreisumlage scheint geringer auszufallen als geplant. Und das Kiersper Haushaltssicherungskonzept wird wohl von der Kommunalaufsicht genehmigt, so dass kein Sparkommissar von Arnsberg droht. Doch das Allheilmittel Haushaltssicherungskonzept bis 2021 hat es in sich: drastische Steuererhöhungen, schmerzliche Einschnitte beim Zuschuss für die Sozialstation oder Streichungen bei der Kindergarten-Mitfinanzierung .
Unsere Fraktion wird dieses „Rotstiftkonzept” so nicht „Eins zu Eins” übernehmen: bis 2016 sind zwar erfreulicherweise keine Haushaltsmittel eingestellt für den von uns abgelehnten Lausebergaufstieg, aber danach befürchten wir millionenteure Ausgaben für diese Umgehungsstraße, sollte sie in den neuen Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden. Es kann nicht sein, dass die Bürger und Unternehmen immer mehr Grund- und Gewerbesteuer zahlen müssen und bewährte Bürgereinrichtungen finanziell stranguliert werden, damit 4700 Fahrzeuge um Kierspe herumgeleitet werden. Kürzlich klagte in der Zeitung eine Geschäftsfrau aus Halver, dass durch die dortige Umgehungsstraße ihre finanzielle Existenz ständig bedroht ist. Auch in Kierspe würden die letzten kleinen Fachgeschäfte an unseren beiden Hauptstraßen schließen müssen, wenn der Durchgangsverkehr abnehmen würde.
Positiv werten wir im Haushalt 2013, dass unsere diversen „Schlaglochpisten” wie die Osemund- und Padbergstraße endlich saniert werden. Auch die fußläufige Verbindung an der Bergstraße hinter dem Rathaus halten wir für unverzichtbar. Am Wildenkuhlen konnten wir mit über 2000 Bürgerunterschriften bis heute ein „Klein-Las–Vegas” verhindern. Auch durch die Anhebung der Vergnügungssteuer um 19 Prozent ab 2013 , den Höchstsatz im Märkischen Kreis, soll weitere „Glücksspielritter” abschrecken. So fordern wir den Besitzer des heruntergekommenen Wirtshauses Hamann auf, endlich für diesen Schandfleck ein ansprechendes Bebauungskonzept zu entwickeln. Gegenüber ist der Verbrauchermarktinvestor dabei, ein passendes Portalgebäude zu erstellen.
Für den Ortsteil Bahnhof gab es in diesem Jahr einen sozialpädagogischen Fortschritt, der neue Jugendtreff im ehemaligen Hellit-Gebäude. So haben wir am Felderhof und in Rönsahl städtische Einrichtungen für die Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen,
in vorbildlicher weise.
Unsere Fraktion unterstützt auch weiterhin die Unterhaltungsinvestitionen der Sporteinrichtungen, wie die Bolz- und Basketballplätze unterhalb des gut besuchten Hallenbades. Wir sind froh, dass wir Kommunalpolitiker einen Teil der Sportpauschale für die Unterstützung der Vereine retten konnten.
Kulturell tut sich in Kierspe auch einiges: so wird in Rönsahl die Alte Brennerei immer mehr zum Veranstaltungsschwerpunkt. Auch das neue Bürgerhaus am Felderhof soll kulturmäßig optimiert werden. Wir warten immer noch auf schlüssiges Betriebskonzept!
Die Sozialeinrichtung „Hand in Hand” für die Ärmsten in Kierspe funktioniert hervorragend durch die rund 100 ehrenamtlichen Mitarbeiter. Auch die Versorgung alleinstehender Menschen mit dem Service „Essen auf Rädern” ist Vorbildlich. All dieses Bürgerschaftliche Engagement macht unsere Stadt lebens- und liebenswert.
Im Bereich Bildung in Kierspe haben Stadtverwaltung und Kommunalpolitik zukunftsfähiges auf den Weg gebracht. Wir konnten unsere bewährten Schuleinrichtungen sichern durch die Verbünde Pestalozzi und Schanhollen sowie Bismarck und Servatius. So sind keine Schließungen wie in anderen Kommunen notwendig geworden. Beim Ausbau der U-3 Betreuungsplätze sind wir zügig vorangekommen, um den Elternanspruch zum 1.8.2013 zu gewährleisten.
Erfreulich ist auch, dass Schulabgänger in der heimischen Wirtschaft gute Berufsaussichten haben. Besonders das Handwerk konnte ihre Lehrstellen um 30 Prozent erhöhen. Schmerzlich ist immer wieder, dass Kiersper Firmen abwandern, weil wir ihnen keine adäquaten Entwicklungsmöglichkeiten geben können. Hoffentlich schaffen Kierspe und Meinerzhagen endlich weitere Gewerbeansiedlungen im gemeinsamen Industriegebiet Grünewald zu ermöglichen: Erstens, um neue zukunftsfähige Arbeitsplätze im nahen Umfeld zu schaffen und zweitens, die aus dem Ruder laufenden Grundstückskosten zu minimieren. Auf Kiersper Seite müssen wir unbedingt unser Premium-Unternehmen GWK halten mit einem kreativen Standortangebot.
Unsere Grünenfraktion steht weiterhin zum ambitionierten Stadtentwicklungsprojekt Regionale 2013. So sollen in 3 Jahren wieder Züge durchs obere Volmetal fahren durch den geplanten Lückenschluss. Der bereits gebaute ZOB war das Starterprojekt für diese ÖPNV-Investition. Auch die zunehmenden Radfahrer sollen eine attraktive Trasse bekommen von Meinerzhagen bis mindestens nach Schalksmühle.- Hervorragend! Das „Autofreie Volmetal” in diesem Jahr hat gezeigt, dass hierfür ein großer Bedarf besteht.
In Sachen Naturschutz unterstützen wir als „Öko-Partei” selbstverständlich die Revitalisierung der Volme. Ein Wermutstropfen ist leider das krankheitsbedingte teilweise Abholzen der Kastanienallee. Deshalb beantragten wir die Anlegung einer Kiersper Bürgerallee und erwarten, dass auch bald die geplante Baumreihe an der Dr. Wernscheid-Straße. angelegt wird.
Bei der kommunalen Energiewende sind wir in Kierspe in den letzten Jahren vorangekommen, vor allem bei den Stichworten Fotovoltaik und Einsparungen im Wärmeverbrauch städtischer Gebäude. Pionierarbeit müssen wir auf Kiersper Gebiet noch leisten bei der Windkraftnutzung. Unser grünes Projekt wäre ein “Bürgerwindpark” unter Federführung der heimischen Stadtwerke. Dabei würde die Wertschöpfung /Gewerbesteuer am Ort verbleiben. Positiv ist für uns auch die Wasserkraft-Reaktivierung in Bollwerk bei der ehemaligen Firma Brune.
Der derzeit engagiert diskutierte “Volmepark” wird den Ortsteil Bahnhof städtebaulich aufwerten und der hiesigen Bevölkerung ein attraktives Freizeitgelände bereitstellen – vom Kind bis zum älteren Menschen. In diesem naturnahen Areal mit Aufenthaltscharakter sollen die schönen alten Baumbestände erhalten und möglichste auch die industriegeschichtlichen Bauwerke integriert werden. Doch für die Großobjekte wie die “Indoorhallen” müssen private Betreiber gefunden werden.
An der unteren Kölner Straße sollen auch die privaten Hausbesitzer ihren Beitrag leisten diese sterbende Trasse neu zu beleben. Deshalb ist es eine gute Idee, dort ein ständiges Quartier-Büro einzurichten. So kann ortsnah Beratung und Umsetzungsunterstützung geleistet werden. (Leerstandsmanagement und Fassadenprogramm). Konkret könnte dort auch ein genossenschaftlicher Lebensmittelladen wie in Herscheid-Hüinghausen.
Alles in Allem sind wir mit unserem Regionale-Prozess auf einem Hoffnung machenden Weg. Doch bezüglich der Haushaltsplanung halten wir die Eigenanteilposten unzureichend dargestellt. Unsere Fraktion befürchtet, dass die Folgekosten ein unkalkulierbares Risiko für die nächsten Jahresetats sind. Die Schuldenlage mit über 40 Millionen Euro ist bereits heute äußerst problematisch. Auf Grund unklar geschätzter Haushaltsstellen zur Regionale können wir dem Zahlenwerk 2013 nicht uneingeschränkt zustimmen. Auch die Infragestellung einiger Infrastruktureinrichtungen wie Sozialstation oder die Stadtbibliothek macht uns große Sorgen. Durch diese beiden negativen Befunde, bei einer sonst soliden Etatplanung, werden wir uns bei der Verabschiedung der Stimme enthalten.
Wir danken der gesamten Verwaltungsmitarbeiterschaft für ihren engagierten Einsatz und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ein Dankeschön gilt auch dem Ratskollegium für das größtenteils sachbezogene und faire Zusammenwirken zum Wohle unserer Stadt Kierspe.
Hermann Reyher
Fraktionsvorsitzender
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